Die ersten Schritte durch die Perle der Flanaess
"Also gut, also gut." Murmelt der Bauer schließlich mürrisch, während ein Wachmann der Stadtwache Greyhawks schon das erste Stück Knollensellerie verspeist um den Beweis anzutreten, dass es sich bei der Ladung sehr wohl um verkäufliche Ware handelt. Mit patziger Geste bekommt der Wachmann den Marktzehnt in die Hand gedrückt. Der im Groben und Ganzen reichlich desinteressierte Halbork, angeheuert um am Südtor seinen Beitrag zum autoritären Erscheinungsbild der Stadtwache zu leisten, unterbricht die geistesabwesend vollführten Probeschwünge mit seiner Doppelaxt. Wiederum gänzlich unbeeindruckt von dieser Szene, welche sich direkt vor den Gefährten abspielt, scheint der Rest der Stadt zu sein: ein heilloses Durcheinander, Lärm, Wagenkolonnen, Botengänge, spielende Kinder, feilschende Lumpensammler... das naturgewohnte Auge muss sich hier beinahe Scheuklappen aufsetzen. Lopolla, Niole Dra, Cryllor, ja, selbst Middlebridge waren freilich auch Städte, doch schon als die Gefährten das Südtor durchschreiten werden die Unterschiede klar. Das Ende Der Prozessionsmeile, wie sich die Hauptachse der Stadt offiziell nennt, ist im Staub und Dunst kaum sehen. Verirren sich die Blicke in eine der zahllosen Gassen, erschrickt man förmlich, weil man entdeckt, dass das Ende der Gasse nur ein Knotenpunkt von noch viel mehr Gassen ist. Dies ist die Altstadt, welche einst ganz Greyhawk darstellte. Und doch schreiten die Gefährten erfurchtsvoll und etwas eingeschüchtert hinein. Man muss sich an den Trubel erst gewöhnen. Stalker und Haschimi sind sich indes nicht sicher, ob sie eingeschüchtert sein sollen, oder doch besser einschüchternd. Wortlos staunend und ohne Widerrede entrichtet Kognoskula den Marktzehnt für das Alchemistenlabor, welches sie auf dem Wagen herumkutschiert und ganz und gar nicht zu verkaufen beabsichtigt, noch bevor Ricard Damaris reagiert um Einspruch einzulegen.
"Soll ich Euch erst einmal zum Grünen Drachen bringen, Freund?" fragt er, sichtlich gut gelaunt und unbeeindruckt. Nebenbei grüßt er noch hier und dort einen Passanten. "Und Ihr, Ritter Boldran - könnt erst noch ein paar Minuten bei uns bleiben, wir lassen die Altstadt hinter uns und biegen erst jenseits des Künstlerquartiers nach Westen zum Flussrevier ab. Reitest Du dort nach Osten kannst Du die Pfaffenfeste kaum noch verfehlen. Versucht Ihr von hier Euer Glück, werdet Ihr hoffnungslos im Fremdendistrikt verhungern." sagt er mit einem Lachen und winkt die Gefährten hinter sich her. Nach Norden geht es, Die Prozessionsmeile entlang.
Selbst ohne die Festivitäten anlässlich des Ablebens Riggbys, des Patriarchen, quillt die Stadt zu dieser Jahreszeit durch das Marktfest - der feierlichen Eröffnung der Marktsaison - aus allen Nähten. Südlich des Schwarzen Tores, welches in alten Zeiten das Nordtor der Stadt war, muss man auf Der Prozessionsmeile nicht selten den Müll von der Straße treten, Schlaglöchern ausweichen und schauen dass man Land gewinnt. Monolithische Bauten, inzwischen im fortgeschrittenen Zustand des Verfalls, zeugen davon dass hier einst wichtige Gebäude standen. Ein altehrwürdiges Badehaus zur Linken, eingangs der Slums im Südwesten, beherbergt heute diejenige, welchen das Glück nicht hold ist. Die Schurkenstadt zur Rechten, in Südosten der Stadt wird dominiert vom Alten Rathaus, welches Gerüchten zufolge nicht gänzlich den Einfluss in der Stadt an die Leitende Oligarchie im Hochviertel, der rechtmäßigen Regierung von Greyhawk, verloren hat - die Schurkengilde hat hier ihren Sitz. Die zweite einflussreiche Instanz in diesem Viertel ist die Gilde der Händler und Kaufleute. Großhandel, Börse, Marktbildung, und eine enorme Lobby, welche den Rest der Stadt durchdringt, sind hier angesiedelt.
Jenseits des Schwarzen Tores schreiten die Gefährten weiter nach Norden auf den unvergleichlichen Viehmarkt zu. Ganz und gar ist es inzwischen kein Viehmarkt mehr, dergleichen wird dieser Tage außerhalb der Stadmauern abgehalten, doch der Name aus alten Zeiten ist geblieben. Sicher navigiert Damaris die Kolonne durch das Gedränge und ehe die Gefährten in der Ruhe der kleinen Flussalmende durchatmen können dringen sie näher an das Hochviertel, welches hinter Mauern mit beeindruckenden Türmen prahlt. "Wir biegen hier links ab, es ist nicht mehr weit bis zu meinem bescheidenen Etablissement. Ritter Boldran, wollt Ihr nicht erst einmal mit uns kommen, und absitzen? Schaut, dort im Osten, gute Hundert Schritte wie die Krähe fliegt? Jenes Gebäude, welches einem Kolosseum gleicht, ist in Wirklichkeit Greyhawks Herzstück der Weisheit und Güte, das Zentrum der Pfaffenfeste. Auch Eurem Patron ist dort ein Tempel gebaut. Ihr könnt es nicht übersehen, doch den Weg findet Ihr nach einem kräftigenden Schluck Bier und einer Schale Wasser um Orkblut abzuwaschen besser, glaubt mir."
Während sie dort stehen, kurz vor der Pforte zum nächsten Abschnitt der Stadt, der Edelmannsporta, durch welche Die Prozessionsmeile weiter nach Norden zum Hochviertel in den Stadtgarten führt, begrüßen Faladons Männer allesamt ein paar alte Bekannte vor in einem großen Eckhaus. Unschwer am martialischen Wappen abzulesen ist, dass es sich um die Söldnergilder handelt. Xerdan, Horald, und Leif sind hier offenbar nicht zum ersten mal. Einzig Kunibert von Perrenland, der Cuthbertiner unter den Begleitern der Gefährten, bleibt dem fern und bietet Boldran an, ihm nach einer Erfrischung den Weg zu weisen, auch er wolle bald den Tempel seines Patrons aufsuchen. Ricard wartet noch darauf wie Boldran sich entscheidet und führt die Gefährten schließlich durch die gewachsenen Gässchen des Flussreviers in Richtung des Wirtshauses zum Grünen Drachen.