57. Reikland-Altdorf-Palastdistrikt-Lorbeeren Ruh
Sie bereiteten sich darauf vor aufzubrechen.
Es konnte gut sein, dass der letzte Abend im Leben von ihnen allen war und der Ausgang dieses Abends über das Wohl und Wehe des Imperiums entschied.
Während die Vorbereitungen liefen, zog sich Luthor einen Moment zurück in eine Ecke, nahm einen Moment der Stille für sich alleine.
Er kramte in seiner Tasche, suchte nach etwas, dass er schon sehr, sehr lange nicht mehr benutzt hatte. Ein kleines Päckchen, von Lederstreifen umwickelt und mit Bindfaden verknotet.
Er musste etwas mit dem Knoten kämpfen und entwickelte dann das Päckchen.
Zum Vorschein kam ein altes, etwas abgenutztes Deck aus Karten - ein Tarotdeck des Imperators.
Es wurde vor allem von Novizen gerne als Spielerei benutzt und im praktischen Alltag waren seine numinosen Antworten oft wenig praktikabel.
Luthor richtete ein kurzes Gebet an Sigmar und bat um Führung, um dann seinen Geist mit einigen wenigen geistigen Übungen soweit es ging zu leeren.
Er mischte die Karten mit seinen großen starken Händen. Luthor war alles andere als ein geschickter Spieler mit feinnervigen Händen und daher war er eher langsam und methodisch im Mischen des Stapels.
Dann legte er langsam die Karten vor sich hin.
Ganz oben kam der Anfang, der Beginn. Diese Karte bildete die Grundlage für alles weitere und bestimmte sozusagen um welche "Geschichte" es ging, was die Karten erzählen sollten.
Sie definierte auch daher in gewisser Weise was die restlichen Karten bedeuteten.
Es gab verschiedene Arten von Tarot-Karten, mit unterschiedlichen Darstellungen der Dinge.
Teils in prächtigen Farben gehalten, waren diese Decks sehr kostbar und wertvoll.
Luthor Karten wiesen keine Farben auf, sondern waren einfach schwarz auf weiß mit verschiedenen Graustufen, eher einfach gehalten in der Linienführung, aber mit überraschender Ausdruckstärke.
Gerade die Einfachheit, teilweise schon fast grobe Linien schenkten den Karten einen lebendigen Ausdruck.
Luthor legte die erste Karte und war wenig überrascht. Die Karte zeigte ein Rad, umgeben von vier Figuren wie bei einer Windrose angeordnet, welche winzige Spruchbänder hielten. Nur mit scharfen Augen oder ein Lupe konnte man lesen was auf diesen Spruchbändern stand. In alter, klassischer Hochsprache stand dort jeweils, von Nord nach Ost nach Süd nach West
"Ich herrsche."
"Ich habe geherrscht"
"Habe kein Reich."
"Ich werde herrschen."
Es war das Rad des Schicksals.
Das Rad des Schicksals zeigte das Eingebundensein in das Wirken des Lebens, dass nichts ewig herrschte und jeder Mensch Teil von diesen auf und ab war.
Es stand für Veränderung die bevorstand, vor einer weitere Drehung des Rades.
Aber in welche Richtung?
Oft das stand das Schicksalsrad für eine Reise, für den Beginn eines Abenteuers, oder eine wichtige Begegnung, welche alles verändern konnte.
Der Zusammenhang mit der derzeitigen Situation war ziemlich eindeutig und Luthor legte rasch vier weitere Karten verdeckt in einer Reihe darunter, zusammen mit 4 weiteren Karten jeweils darauf. Diese Karten für die Teilnehmer dieser Reise stehen, dieser Drehung des Rades.
Nacheinander deckte Luthor jeweils zuerst die untere Karte auf, welche die Grundlage einer Person darstellte.
Die Karte konnte verschiedenes Bedeuten. Einmal was die Person definierte, was ihren Kern darstellte, je nachdem aber auch, was aus ihr nach der Drehung des Rades erst noch werden könnte, welches Potential also in ihr steckte.
Die zweite Karte welche darauf lag, gab der Person Eigenschaften, war etwas weniger "tiefsinnig" und half oft dabei die Person überhaupt erst zu identifizieren. Sie stellte sozusagen die sichtbaren Eigenschaften dar, welche die Person an den Tag legte.
Die erste Karte zeigte einen jungen Mann und junge Frau, beide nackt und sich an den Händen haltend.
Die Liebenden.
Diese Karte stand für jemanden mit Emotion, wurde deshalb auch mit dem Element der Luft assoziiert. Sie stand auch für jemanden, der auf Grund dieser Emotionen variabel war, sowohl gut als auch böse und der daher mit der Drehung des Schicksalsrades sowohl auf der guten als auch auf der bösen Seite landen konnte.
Ein Held der fiel, ein ehemaliger Verbrecher der zum Helden wurde - in extremen Fällen.
Ein andere Interpretation besagte, dass diesem Menschen eine Wahl oder eine Versuchung bevorstand; in Verbindung mit dem Schicksalsrad besagte die Karte, dass dieser Mensch eine große Bedeutung hatte.
Der Haken an der Sache war, dass es einerseits bedeuten konnte, dass diese Person in der Vergangenheit einen Wechsel durchgemacht hatte und nun auf Grund dieses Wechsels entsprechend handeln würde bei der nächsten Drehung des Rades.
Andererseits aber konnte es genauso gut heißen, dass eine Person die man kannte, plötzlich einen Wechsel während der nächsten Drehung vollziehen konnte, also z.B. jemand zum Verräter wurde; oder ein Feind der sich als Freund entpuppte.
Luthor deckte rasch die darauf liegende Karte auf, bevor seine Gedanken einen Knoten bekamen und er überall potentielle Verräter sah.
Die Karte zeigte zwei einfach verzierte Kelche und jeweils in der Ecke die Nummer 2, also war die Zwei der Kelche.
Die Kelche standen für Emotion und Instinkt, die Bedeutung der Zwei kam aus einer uralten Sprache und war noch aus Zeiten vor dem Imperium überliefert wurde, also noch die Stämme der Menschen das heutige Imperium unter sich aufteilten. Manche sagten, dass die Bedeutung aus der Sprache der Unberogen, des Stammes Sigmars überliefert worden war. Ein alter Begriff für die Zahl 2 war Chochmah und die Bedeutung war Geschicklichkeit, aber auch in Verbindung mit Klugheit oder gar göttliche Einsicht.
Die Zwei der Kelche bezeichnete also eine Person, die zwar ihren Instinkten und Eingebungen folgte und daher oft scheinbar impulsiv handelte - um von praktischer denkenden Menschen belächelt zu werden - deren Aktionen sich später aber oft als erfolgreich herausstellten. Als wäre das impulsive handeln durch eine Art göttliche Einsicht begründet gewesen.
Vor Luthors Geist tauchten verschiedene Bilder auf
eine Gestalt welche sich auf einem Dach mit einem Skavenassassinen duerlierte,
die gleiche Gestalt, welche aus dem Nebel heraus eine häretische Hexenjägerin mitten in einer Stadt erschoss.
Eberlinus.
Die zweite Karte in der Reihe.
Sie zeigte einen Hohepriester im Ornat, welcher zwei andere Schüler segnete.
Der Hierophant.
Er stellte die Überzeugung dar, dass etwas höheres existierte, stand für die Frage nach dem Sinn und Wahrheitssuche. Gleichzeitig stand der Hierophant aber auch für den absolute Überzeugung recht zu behalten, was bis hin zur Intoleranz und Anmaßung reichte.
Der Hierophant bewertete und verurteilte nach seinen Maßstäben, nach seiner Überzeugung, wie die Dinge der Welt zu liegen hatten.
Die Karte darauf zeigte den König der Schwerter.
Der König stand für Wille, Ich-Bezogenheit. Der König berief sich aber auch immer etwas auf den Willen der Götter, da genau deshalb er auserwählt war.
Einer von Luthors Lehrern hatte mal gesagt, dass vor allem bei Elfen und Zwergen überraschend oft der König herauskam - was beide Rassen bestimmt wenig ansprechend gefunden hätten.
Die Schwerter standen für das Element der Erde, also praktisches und materielles.
Zusammengenommen also jemanden, der seine feste Überzeugung hatte und mit dieser Überzeugung auch die Wände ging.
Unwillkürlich musste Luthor hierbei an einen Zwerg denken der ihn anschnauzte.
Grunrun
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